Figurentheater im Rems-Murr-Kreis: Figurentheater Inflagranti

eine Serie der Stuttgarter Zeitung

Ganz allein steht der kleine blaue Kerl im ach so fremden Rotland. Skeptisch blickt sich Jim um: Alles ist rot. "Was mach ich allein im Rotland", fragt er sich ängstlich. Die Umgebung ist so schrecklich fremd. "Nicht einmal die Luft riecht blau", sagt Jim, der sich nach seinem Blauland sehnt. Erst als Rosa Rot dem kleinen Jim Blau aus der Patsche hilft, gelingt Jim die Heimkehr.
"Gemeinsam sind wir bunt" heißt die Geschichte des Stettener Figurentheaters Inflagranti. Die Begegnung mit Fremden und der Umgang mit andersartigen Wesen stehen im Mittelpunkt " des Stücks für Kinder von 4 bis 99 Jahren". Mit Hilfe der bildlichen Ebenen der Farben läßt das dreiköpfige Ensemble den Zuschauern Spielraum für eigene Assoziationen und Interpretationen. Das gängige Schwarz-Weiß-Klischee bedient Inflagranti nicht.
"Wir wollen die Abwehr gegen Fremde auflösen", erklärt die Sozialpädagogin Judith Artmann. Die 28-jährige hat zusammen mit ihrem ehemaligen Studienkollegen Matthias Daur und dessen Freund aus Kindertagen Steffen Wilhelm 1994 die Gruppe gegründet.Spielen gegen gängige Schwarz-Weiß-Klischees: das Trio Inflagranti Die drei sammeln seit 1989 Erfahrungen mit unterschiedlichen Figurentheater-Projekten, sie haben sich in ihren Diplomarbeiten mit dem Thema befaßt und spielen mit ihrer mobilen Guckkastenbühne für Erwachsene und Kinder, wo immer sie engagiert werden: mal im Kindergarten, dann bei kirchlichen Veranstaltungen oder im eigenen Gewölbekeller im Kernener Teilort. Noch arbeitet das Trio in den erlernten Berufen. Doch insbesondere Daur und Wilhelm würden das Hobby gern zum Beruf machen.
Bei den Geschichten sollen stets auch Erwachsene auf ihre Kosten kommen, denn selten besuchen nur Kinder die Stücke. So ist es nicht weiter tragisch, daß manch ein Knirps die Wette zwischen Rosa Rot und Jim Blau um die Lieblingsspeise vermutlich kaum mitbekommt. Dafür können die Eltern schmunzeln, wenn die beiden Hauptakteure im Stück feststellen, daß Rotkohl und Blaukraut ein und dieselbe Speise mit unterschiedlichen Namen ist.
Für Kurzweil sorgt auch "Seitenklau bei Himmelblau". Diese Stück stammt ebenfalls aus der eigenen Feder. Die Geschichte erzählt von einem verzweifelten Buchhändler und kommt ohne erhobenen Zeigefinger aus - obgleich Inflagranti einen Gesellen im Gepäck hat, der für manch markigen Spruch weltbekannt ist. Kasperle springt in die Bresche und ertappt einen Unhold, der dem Buchhändler Himmelblau Seiten aus den Büchern klaut. Wenn der Besucher unbedingt eine Nachricht mit nach Hause nehmen will, dann ist es folgende: Auch Übeltäter sind mitunter arme Schlucker. "Traut euch die Lösung von kniffligen Problemen zu", das gibt Inflagranti groß und klein mit auf den Heimweg.
Die aufwendigen Kulissen sowie alle Hand- und Stabpuppen stellen Artmann, Daur und Wilhelm in mühevoller Detailarbeit selbst her. Mitunter schlüpfen die Akteure sogar ins Outfit ihrer Puppen und spielen in Lebensgröße. Inflagranti bietet eine gelungene Mischung aus klassischem Puppen- und modernem Objekttheater. Mit sogenannten Zweckspielen - Kasperle warnt vor Karies oder schnappt mit dem Polizisten den Räuber - hat das Trio wenig im Sinn. "Unsere Identfikationsfiguren", beschreibt Matthias Daur einen der wenigen Grundsätze des Ensembles, "müssen niemanden verprügeln".
(Stuttgarter Zeitung vom 8.8.1997)


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